Die Ruptur der Patellarsehne im Kniegelenk ist zwar sehr selten, aber bei Auftreten ein sehr schwerwiegendes Schadensbild, welches eine dringliche OP-Indikation darstellt (Engelhardt et al., 2006). Die Konsequenzen können sowohl für Leistungs-, als auch für Breitensportler weitreichend sein und unter Umständen das Ende der sportlichen Karriere bedeuten. Welche Heilungsstadien gibt es nach der OP zu berücksichtigen und welche Besonderheiten bringen diese mit sich? Welche trainingstherapeutischen Maßnahmen leiten sich daraus ab?
Ätiologie und Therapie der Patellarsehnenruptur
,,Strecksehnenrupturen im Kniegelenk (Quadrizeps- & Patellarsehne) sind seltene, aber relevante Verletzungen, die zur Einschränkung der Funktion der gesamten unteren Extremität führen können‘‘ (Herbort et al. 2015). Projizieren wir diese Aussage doch mal auf den Sport. Betrachten wir beispielsweise eine Patellarsehnenruptur bei einem Hochspringer oder einer Hochspringerin, so erscheint die Verletzung hier besonders schwerwiegend, da der Streckapparat im Sprungbein maßgeblich für die Extension im Kniegelenk verantwortlich ist, welche wiederum notwendig ist, um Sprungkraft zu generieren. Die Bedeutung und die Belastungssituation der Sehne innerhalb dieser Kette ist offensichtlich.
In der Regel liegt an der Patellarsehne bereits eine Vorschädigung vor, bevor es zu einer Ruptur kommt (Herbort et al., 2015).
Des Weiteren können Infekte, systemische Erkrankungen und systemische und lokale Steroidtherapien die Verletzung begünstigen (Imhoff et al., 2014). Im Normalfall erfolgt eine Ruptur unter maximaler Quadricepsanspannung (Herbort et al., 2015). Die Überlastungsgefahr der Patellarsehne ist im Beispiel Hochsprung naheliegend und könnte durch immer wiederkehrende, eventuell auch unbemerkte, Tendinitiden (Sehnenentzündungen) so stark vorbelastet gewesen sein, das eine Ruptur dadurch die Folge ist. Gleiches kann selbstverständlich auch bei anderen kniebelastenden Sportarten und Alltagsaktivitäten der Fall sein.
Liegt eine totale oder subtotale Ruptur der Sehne vor, ist eine operative Therapie unausweichlich (Herbort et al., 2015). Dieses ist der Fall, sobald mehr als 1/3 der Sehne rupturiert sind (Imhoff et al., 2014).
Darunter kann eine konservative Therapie erfolgreich sein. Im Falle einer OP werden zur Refixierung der Sehnenenden verschiedene Nahttechniken oder alternativ eine Drahtcerclage (Ewerbeck, 2014) eingesetzt. In der frühen Phase der Nachbehandlung steht die Schonung der Sehnennähte im Vordergrund (Herbort et al., 2015). Deswegen erfolgen die ersten 6 Wochen in einer Streckorthese bis 25 kg Teilbelastung, welche anschließend bis zur Vollbelastung gesteigert wird (Ewerbeck, 2014). Anhaltspunkte zur Nachbehandlung wird im Folgenden noch genauer betrachtet.
Hintergründe zu den Heilungsstadien
Wundheilung von verletzten Sehnen läuft, wie bei anderem vaskularisiertem Gewebe auch, nach drei aufeinanderfolgenden Phasen ab. Nach kurzer Entzündungsphase folgt die Proliferationsphase und abschließend die Remodellierungsphase. Dabei ist es allerdings so, dass die einzelnen Phasen ineinander übergehen und in dieser Zeit zu gewissen Anteilen parallel ablaufen (Diemer & Sutor, 2006). Da diese Phasen durch unterschiedliche Merkmale und durch unterschiedliche Belastbarkeiten der Sehne geprägt sind, sollen diese nun genauer betrachtet werden.
Entzündungsphase
‘‘Die Entzündungsphase ist die Reaktion von lebendem Gewebe auf alle Form von Verletzungen‘' (van Wingerden, 1998). Insgesamt dauert die Entzündungsphase bei einem normalen Heilungsverlauf zwischen 5 und 7 Tagen (van den Berg, 2001, S. 137). Der Organismus antwortet nun mit ersten Reaktionen, die den Gewebsschaden identifizieren und initiale Reparaturen einleiten sollen. Kennzeichnend für das Ausmaß der Entzündung ist laut Diemer & Sutor (2006) vor allem der Grad der Hyperthermie (Temperaturanstieg) des Wundgebietes. Die Ursache dessen ist die sich quasi unmittelbar einstellende Mehrdurchblutung des Wundgebiets, um eine bessere Nährstoffversorgung der Wunde bzw. der Sehnennaht zu erreichen. Ein weiterer Aspekt der Entzündungsphase ist, dass mit Hilfe von Kollagenasen und Makrophagen Zelltrümmer und Eindringlinge beseitigt werden, um im Wundgebiet sozusagen ‘‘aufzuräumen‘‘, diese zu ‘‘reinigen‘‘ und Platz für die Bildung neuen Sehnengewebes zu schaffen (Diemer & Sutor, 2006, S. 31). Charakteristisch für die gesamte Phase ist zudem eine deutliche periphere Hyperalgesie (gesteigertes Schmerzempfinden), welche durch diverse Entzündungstransmitter reguliert wird (van den Berg, 2001, S.137). All diese Aspekte sorgen letztendlich dafür, dass das therapeutische Hauptziel während der Entzündungsphase ist, diese und die Entzündungsreaktionen gewähren zu lassen und lediglich zu kontrollieren (Diemer & Sutor, 2006, S.34-35). Als Konsequenz dessen ist es das Wichtigste, das verletzte/operierte Knie funktionell zu immobilisieren.
Oberstes Ziel innerhalb der ersten 6 Wochen ist es, die Sehnennaht zu schützen (Herbort et al. 2015).
Die aktive bzw. Trainingstherapie hat für das betroffene Bein in dieser Zeit deswegen keine Bedeutung. Möglich ist aber ein passives, schmerzfreies Bewegen des Beines. Ein aerobes Krafttraining der nicht betroffenen Extremität und ein allgemeines aerobes Ausdauertraining über den Oberkörper sind als aktive trainingstherapeutische Maßnahmen allerdings möglich (Diemer & Sutor, 2006, S. 34-35). Insgesamt sollte die Teilbelastung in den ersten 4-6 Wochen (über die Entzündungsphase hinaus) bei 15-25 kg gehalten und das Bewegungsausmaß durch passives Bewegen (therapeutisch oder durch Eigenübungen) schrittweise auf 90 Grad Knieflexion verbessert werden (Grim et al., 2010). Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Entzündungsphase den wichtigen Grundstein für die weitere Sehnenheilung legt. Aufgrund der geringen Stabilität der Sehnennaht und der sensiblen Entzündungsreaktionen ist aus trainingstherapeutischer Sicht kaum, bzw. allenfalls über OP-ferne Körperregionen, möglich. Die Ruhigstellung hat in dieser Phase Priorität.
Proliferationsphase
,,Die Proliferationsphase ist die Phase, in der die Masse des Gewebes neu gebildet wird‘‘ (Diemer und Sutor, 2006, S.35). Das heißt die Matrixsynthese und die Produktion von neuem Sehnengewebe an der Operationsstelle werden nun zu den wichtigsten Aktivitäten des Organismus im Bereich der Sehnennaht. Fibroblasten und Myofibroblasten zeigen nun eine deutlich erhöhte Syntheseaktivität (van den Berg, 2001, S.137). Die Dauer dieser Phase wird schwankend zwischen 21 Tagen (van den Berg, 2001, S.137) und 6 Wochen speziell für Sehnengewebe (Diemer & Sutor, 2006, S.36) angegeben. Dies ist auch der Grund warum die Empfehlungen der Operateure bei einer Entlastung bzw. Teilbelastung der betroffenen Extremität von mindestens 4-6 Wochen ausgehen (Wirth et al., 2009, S. 653). In dieser Phase ist deshalb weiterhin von einer deutlich reduzierten Sehnenstabilität auszugehen und das primäre Ziel bleibt weiterhin die Sehnennaht zu schützen bzw. nicht zu überlasten (Herbort et al., 2015), aber dennoch eine übungsstabile Situation herzustellen (Grim et al., 2010).
Die Maßnahmen aus der Entzündungsphase können weitergeführt werden. Dabei kann das Bewegungsausmaß nach 3 Wochen auf 60° und nach 6 Wochen auf 90° Flexion im Kniegelenk gesteigert werden (Grim et al., 2010).
Da die Matrixsynthese einen Schlüsselvorgang in dieser Phase darstellt, sollte eine Priorität sein, diese mit weiteren Maßnahmen zu steigern (Diemer und Sutor, 2006, S.35).
Dafür sind aktive zyklische Mobilisationen im schmerzfreien Bereich besonders günstig, da sie leichte Dehnreize auf das Bindegewebe applizieren (Diemer und Sutor, 2006, S.36). Von Dehnungen und Krafttraining im eigentlichen Sinne ist aber weiter, aufgrund der reduzierten Stabilität, abzusehen (Wirth et al., 2009, S. 653). Zusätzlich sollten Maßnahmen angewandt werden, um die lokale Durchblutung zu steigern (van den Berg, 2001, S.137). Das bedeutet, dass nun aus trainingstherapeutischer Sicht zusätzlich die Möglichkeit besteht, mit einfachen Maßnahmen im Ausdauerbereich zu arbeiten. Die Proliferationsphase klingt zum Ende der 6. Woche hin langsam aus und geht in die Remodellierungsphase über (Diemer und Sutor, 2006, S.37).
Remodellierungsphase
Die Remodellierungsphase kann auch als Umbauphase bezeichnet werden. Kennzeichnend für diese Phase ist, dass die vorher dominierende Kollagensynthese abnimmt, die Stabilität des neu produzierten Kollagengerüsts weiter zunimmt und sich gemäß der Belastung, die auf die Patellarsehne einwirkt, ausrichtet (van den Berg, 2001, S.144). Das heißt die Qualität der Sehne nimmt nun stetig zu. Dies ist alles in allem jedoch ein sehr langwieriger Prozess, in dem eine strukturierte Belastungssteigerung notwendig ist. Die Remodellierungsphase dauert mindestens 6 Monate, insgesamt aber, bezogen auf einige Prozesse, bis zu 360 Tage (Diemer & Sutor, 2006, S. 44). Über eine endgültige Stabilität der Sehne sind kaum einheitliche Ergebnisse zu finden. Die Nachbehandlungsergebnisse werden jedoch allgemein als gut beschrieben (Grim et al., 2010). Die Belastung sollte nun auf das volle Körpergewicht gesteigert werden und ein Training des M. quadriceps in den Fokus rücken (Wirth et al., 2009, S. 653). Eine Bewegungslimitierung ist nicht mehr notwendig, aber eine sportliche Betätigung (nicht rehabilitative Maßnahmen) sollte für insgesamt 6 Monate unterlassen werden (Grim et al., 2010).
Die Trainingstherapie wird nun deutlich interessanter und gewinnt zunehmend an Wichtigkeit. Neben der schon erwähnten Kraftleistung des M. quadriceps gilt es jetzt vor allem auch propriozeptive und koordinative Fähigkeiten und sportartspezifische Bewegungsabläufe in das Training einzubauen (van den Berg, 2001, S.149).
Sprungbelastungen sollten, analog zu anderen Sehnenrupturen, frühestens nach 6 Monaten vorsichtig begonnen und gesteigert und maximales sportartspezifisches Sprungkrafttraining erst nach Abschluss der Remodellierungsphase aufgenommen werden (Diemer & Sutor, 2006, S. 421).
Ein weiterer wichtiger Trainingsaspekt, der sich langfristig positiv auf die Qualität der Sehne auswirkt, scheint das exzentrische Training zu sein. Beim exzentrischen Training wird Kollagensynthese der Sehne gesteigert, was die Qualität einer Sehne deutlich verbessern kann (Alfredson, 2005). Diese Trainingsmethode hat sich bereits bei Pathologien der Achillessehne und der Rotatorenmanschette bewährt und scheint auf alle Sehnenstrukturen des menschlichen Körpers übertragbar zu sein. Daher sollte man das exzentrische Training zur langfristigen Behandlung der operierten Sehne mit in Betracht ziehen.
Fazit
Die Patellarsehnenruptur ist zwar eine seltene, aber dennoch sehr schwerwiegende Verletzung. Die Ergebnisse nach operativer Rekonstruktion werden in der Literatur allgemein als gut beschrieben. Der Zeitpunkt der endgültigen Stabilität einer operierten Sehne kann aktuell jedoch nicht genau beschrieben werden. Verlässliche Aussagen sind dazu deswegen nicht möglich. Für einen optimalen Rehaverlauf empfiehlt es sich, sich an den bindegewebigen Heilungszeiten von Sehnengewebe zu orientieren. Bestenfalls sind die Rückkehr zum Wettkampftraining bzw. zum Wettkampfsport bis Ende des 6. Monats zu unterlassen. Spannend im Kontext zur Prävention einer Re-Ruptur, ist zudem das exzentrische Trainieren der Sehne.
Literatur
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Grim, C.; Lohrbach, O.; Engelhardt, M. (2010): Quadrizeps- und Patellarsehnenrupturen, In: Der Orthopäde, S.1127-1134, Berlin: Springer
Imhoff, Andreas; Linke, Ralf; Baumgartner, Rene (2014): Checkliste Orthopädie. 3. Auflage. Stuttgart: Thieme
Jonsson, P.; Alfredson, H. (2005): Superior results with eccentric compared to concentric quadriceps training in patients with jumper's knee: a prospective randomised study. In: British journal of sports medicine 39 (11), S. 847–850. DOI: 10.1136/bjsm.2005.018630.
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