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Wissen und Inspiration

Der Sprint – der König des Athletiktrainings

Jörn Krebs   •   20.03.2021

Lesezeit: 4,0 Minuten

Relevanz des Sprints als Kraftübung

Das sportartspezifische Athletiktraining ist ein umfangreiches und komplexes Themengebiet. Der Sprint gehört in vielen Programmen als methodisches Mittel mit dazu, wird aber oft noch zu wenig eingesetzt und meistens nur im Rahmen eines Sprint- oder Schnelligkeitstrainings. Der Sprint als Betrachtung einer Krafttrainingsmethode sollte jedoch aufgrund vielfältiger Vorteile in Zukunft stärker Berücksichtigung finden. 

 

„Ich sprinte doch aber im Spiel.“    

Dieser reduktionistische Ansatz ist leider das Problem der Compliance der Spieler:innen und vor allem auch der Trainer:innen. Im Spiel (Fußball, Rugby, Football) werden in der Spitze maximal 90 – 95 % Geschwindigkeiten erreicht, bei Sportarten mit kleineren Feldern (Handball, Basketball) nur bis zu 72 – 82 %. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Meistens ist die Laufstrecke zu kurz, um maximale Geschwindigkeiten zu erreichen. Ebenfalls die Platzverhältnisse wie z. B. ein weicher Boden durch Regen verhindern maximale Laufgeschwindigkeiten. Auch ein Lauf mit dem Ball oder mit Körperkontakt verringert die Laufgeschwindigkeit. Zudem können aufgrund von Vorermüdung maximale Geschwindigkeiten nur zu Spielbeginn erreicht werden.

Muss ein/ Athlet:in überhaupt maximal sprinten, wenn er/sie das im Spiel nie macht? Die kurze Antwort dazu ist: Ja! Auch wenn der Schwerpunkt des Trainings der Schnelligkeit für die meisten Teamsportarten im Bereich Antritt- und Richtungswechselfähigkeiten liegen sollte, bietet der maximale Sprint einige Vorzüge, die in jedem Trainingsplan integriert sein sollten. Er bietet auch für Sportler:innen, die ansonsten gar nicht sprinten, einige Vorteile. Die Betrachtung des Sprints als Kraftübung wird nämlich noch von vielen Trainer:innen und Athletinnen unterschätzt.    

Die Kräfte des Sprints

Der Sprint ist eine der wichtigsten Übungen eines/einer jeden Teamsportler:in, aber auch für viele andere Sportarten sinnvoll zu integrieren. Bei keiner Übung sind die Kräfte so hoch wie beim Sprint. Auf der Oberschenkelmuskulatur lasten dabei mehr als 7 x Körpergewicht (BW) und Bodenreaktionskräfte (GRF) von mehr als 5 x BW. Dazu kommen extrem geringe Bodenkontaktzeiten (GCT) von weniger als 0,1 s. Die Kräfte sind höher als bei jeder anderen Übung im Kraftraum/Fitnessstudio, unter der Voraussetzung, dass 100 % Vollstromsprints mit ausreichend Pausen abgeliefert werden. Dazu zählen keine High Speed Intervallläufe oder Sprints mit unzureichenden Erholungszeiten. Nur ausreichend lange Pausenzeiten mit hoher Motivation und Intention zur maximalen Geschwindigkeit bringen die gewünschten Ergebnisse. Weitere Voraussetzungen für die maximale Leistung sind zudem Konzentration, ausreichend guter Schlaf, guter Muskelstatus (kein Muskelkater!) und ein gutes, zielgerichtetes Aufwärmen.


Das Aufwärmen kann sehr variabel gestaltet werden, sollte aber in jedem Fall Sprungvarianten, wie es auch bei gängigen Lauf-ABC-Übungen gehandhabt wird, und kurze, submaximale Sprints enthalten. Sieben Minuten Joggen, zwei bis drei kurze Sprungübungen und zwei Steigerungsläufe erfüllen jedoch die Mindestkriterien und können bei Zeitmangel so umgesetzt werden. Es muss nicht immer kompliziert sein, es muss aber an das Leistungsniveau angepasst sein. Der Athlet sollte sich aber in jedem Fall bereit fühlen, alles zu geben.
Aus diesen Gründen sollte ein Sprinttraining unter bestimmten Umständen überdacht oder kurzfristig umgeplant werden. Zieht sich der Muskelkater länger als erwartet oder hat der Athlet in der Nacht schlecht und kurz geschlafen, ist ein Sprinttraining nicht uneingeschränkt sinnvoll. Dann kann entweder mit Widerstandssprints, Bergsprints oder Richtungswechseln gearbeitet werden oder ein komplett anderer Trainingsinhalt angegangen werden.    

Transferleistungen des Sprints

Abgesehen von den bereits genannten Vorteilen spielt auch der Transfer in verschiedene sportartspezifische Bereiche eine entscheidende Rolle. Der lineare Sprint zeigt in der Literatur Transferleistungen zu Abstoppbewegungen, Beschleunigungen, Richtungswechseln, Sprüngen und natürlich zur linearen Sprintfähigkeit. Die beste Möglichkeit linear schneller zu werden, ist defintiv zu sprinten. Die anderen Transferleistungen sind jedoch umstritten. Je höher das Leistungsniveau, desto geringer ist die Transferleistung, da alle Fähigkeiten bis zu einem gewissen Grad bereits ausgeprägt sind. Genannt wird hier gerne das Beispiel von Christiano Ronaldo und Angel David Rodríguez (professioneller Sprinter), die gegeneinander einen linearen Sprint und einen Sprint mit Richtungswechseln ausgeführt haben. Während der Sprinter im linearen Sprint schneller ist, schneidet der Fußballer bei Richtungswechseln besser ab. Die Tendenz zur Verbesserung der genannten Faktoren ist jedoch weiterhin vorhanden, wodurch ein Transfer durch lineare Sprints auf andere Fähigkeiten bis zu einem gewissen Maße zu erwarten ist.    

Der Sprint als Verletzungsprävention

Eine weitere wichtige Eigenschaft des Sprints ist sein Potential zur Verletzungsprävention. Bei keiner Übung ist die Hamstringaktivität so hoch wie beim Sprint. Auch wenn der Sprint eine Hauptursache für die Verletzungen der Hamstrings ist, sollte genau aus diesem Grund der Sprint auch trainiert werden. Da die Geschwindigkeit des maximalen Sprints größer als im Spiel ist, ist dies somit auch eine Vorbereitung der Hamstrings auf das Worst-Case-Scenario. Die progressive Steigerung des Sprinttrainings ist hierbei der entscheidende Faktor. Die Bedeutung des Sprints für die Verletzungsprävention ist mittlerweile gut belegt und wird auch durch Expertenmeinungen im Profifußball bestätigt.


Sprinttraining sollte in der Preseason in sämtlichen Teamsportarten im Trainingsplan stehen, aber auch während der Saison einmal die Woche integriert werden. Alle sind Athlet:innen und damit gemacht fürs Sprinten! Nutzt diese hohen Kräfte zu eurem Vorteil und integriert den Sprint in euer Athletiktraining.

Beispieltrainingseinheit Fußball Inseason

•    Samstag Spiel → 7 Tage Pause → Samstag Spiel
•    dann Dienstag oder Mittwoch Sprinttraining
•    15 Min. Warm Up inkl. Sprünge und kurzer Antritte
•    3 – 4 x 25 – 30 m Vollstromsprint (100 %) mit 2,5 – 3,5 Min. Pause zw. den Sprints
•    im Anschluss Fußballtraining 45 – 90 Min.
•    2 x 5 – 10 Wdh. Nordic Hamstring Curls

Überblick Eigenschaften des maximalen Sprints

•    Muskelkraft > 7 x BW (bei Eliteleichtathleten bis zu 9 x BW)
•    GRF > 5 x BW
•    Beingeschwindigkeit > 80 km/h
•    GCT < 0,1 s
•    Schrittfrequenz 4 – 4,5 Hz
•    Winkelgeschwindigkeit > 300°/s

Literatur

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Jörn Krebs

Geschrieben von

Jörn Krebs

Jörn Krebs (M. Sc.) ist als Sportwissenschaftler, Athletiktrainer und Ernährungscoach im leistungssportlichen Handball, Fußball und Rugby aktiv. Seine Ziele sind die Leistungsoptimierung und die Verletzungsprävention möglichst vieler Sportler. Seine Fachgebiete sind das Athletiktraining mit Schwerpunkt Schnelligkeit und Sprungkraft sowie die Prävention und Rehabilitation von Sprunggelenks-, Knie- und Schulterverletzungen.

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