Was ist Sehnentraining?
Beim Krafttraining wird die Muskulatur stimuliert. Da die Muskulatur durch eine Sehne mit dem Knochen verbunden ist und somit Kontraktion und Bewegung erst ermöglicht, wird diese zwangsläufig mittrainiert. Ein erhöhter Zug auf die Muskulatur bedeutet auch immer einen erhöhten Zug auf die Sehne. Wie stark die jeweiligen Anteile von Muskulatur und Sehne beim Training sind, hängt von bestimmten Faktoren wie der Trainingsmethodik und Übungsauswahl ab, auf die ich im Folgenden eingehen werde.
Trainingsmethodik
Der Anteil der Sehnen steigt, wie bereits lange bekannt, bei exzentrischem Krafttraining an. Die Effekte sind jedoch deutlich geringer, als urspruÌnglich angenommen wurde. Isometrisches Training spricht dagegen den Anteil der Sehne wesentlich stärker an. Am größten wird dies bei isometrischem Training mit hohen Lasten. Dies ist dem exzentrischen Training mit hohen Lasten bezogen auf die Sehne uÌberlegen. Auch klassisches Krafttraining mit gleichmäßiger Bewegungsgeschwindigkeit wirkt sich mit zunehmender Last stärker auf die Sehne aus. Dies legt die Bedeutung von isometrischem Training aber vor allem von Training mit hohen Lasten fuÌr die Sehne dar. 90 % der isometrischen Kraft uÌber 3 (2) – 5 s mit kurzer Pause und 3 – 5 Wiederholungen in 2 – 5 Sätze gilt dabei mittlerweile als Optimum. Zudem wirkt sich plyometrisches Training positiv auf die Sehnensteifigkeit der Achillessehne aus. Die aktive Steifigkeit wird dabei jedoch stärker beeinflusst als die passive. Eine kurze Trainingsdauer von 5 – 10 Min. für 2 – 3 Mal täglich zeigt dabei bessere Ergebnisse als 20 – 30 Min. Training am StuÌck. Während fuÌr die Muskulatur 30 – 60 Min. als Optimum gelten, haben Sehnen bei 5 – 10 Min. Trainingsdauer pro Trainingseinheit ihr Peak.
Ernährung
Die Einnahme von Gelatine (Kollagen als Alternative) (> 15 g) in Kombination mit Vitamin C (> 15 mg) ca. eine Stunde vor einer Trainingseinheit wirkt sich zusätzlich positiv auf den Effekt des Sehnentrainings aus. Es wirkt jedoch nur in Kombination mit Bewegung, da Sehnen im Gegensatz zu Muskulatur, die auch in Ruhe Nährstoffe verarbeitet, Bewegung zur Aufnahme von Nährstoffen benötigen.
Kurzfristige Lösungen fuÌr Schmerz und Belastung
Bei Problemen mit der Patellasehne oder der Achillessehne hat sich die beschriebene Trainingsmethodik bewährt, wenn die Belastung kontinuierlich und progressiv gesteigert wird. In akuten Fällen können lange, isometrische Haltephase von 45 s bei geringer Last (schmerzfrei) zu Besserungen fuÌr die anstehende Belastung fuÌhren und können sich auch langfristig auf die Sehnengesundheit auswirken.
Tendinopathien
Die meisten Probleme mit der Patella- oder Achillessehne lassen sich nämlich nicht auf EntzuÌndungsprozresse, sondern auf degenerative Prozesse durch chronische oder akute Überlastung zuruÌckfuÌhren. Die Diagnose Tendinitis ist somit oft falsch und ist in den meisten Fällen eine Tendinopathie. Bei diesen Pathologien gilt es nicht komplett Pause zu machen, sondern lediglich die Belastung, die zu den Problemen gefuÌhrt hat, zu reduzieren. Kraftbelastungen mit progressiven Aufbau und einem Schmerz bis maximal 3 von 10 fuÌhren zu den gewuÌnschten Ergebnissen. Dabei kann zwischen exzentrischem und isometrischem Training sowie propriozeptiven Übungen und lockeren SpruÌngen gewählt werden. Schmerzadaptiertes Arbeiten steht hierbei im Vordergrund. Beim Sehnentraining bei diversen Pathologien gilt im Zweifel: lieber etwas machen, als nichts tun.
P. s.: Die Patellasehne ist eigentlich keine Sehne, sondern ein Band. Sie zeigt jedoch aufgrund ihrer Lage und Funktion vergleichbare Ergebnisse wie Sehnen.
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