Propriozeptives Training ist in der Human-Physiotherapie schon lange bekannt. Sowohl aus dem Reha- als auch aus dem Profisport ist diese Trainingsform nicht mehr wegzudenken. Dass es diese Trainingsform ebenfalls in der Veterinär- Physiotherapie gibt, wissen jedoch nur wenige. Daher soll in diesem Artikel geklärt werden: Was ist Propriozeption und was bewirkt sie? Und wie kann man sich das im Tierbereich überhaupt vorstellen?
Propriozeption bezeichnet die Wahrnehmung von Gelenkstellung, Muskelspannung, Bewegungsrichtung und Lage des Körpers im Raum. Dieser Vorgang läuft meist automatisiert und unbewusst ab. Das propriozeptive System ist ein Basissinn, (ebenso wie das taktile und das vestibuläre System), der sich bei Tier und Mensch bereits pränatal entwickelt. Beim propriozeptiven Training werden Reaktionsmechanismen erarbeitet und abgespeichert, damit sie im entsprechenden Fall schnell abgerufen werden können und so Verletzungen vorbeugen können.
Wie funktioniert propriozeptives Training für Menschen?
Um ein propriozeptives Training durchzuführen bedarf es keiner teuren Trainingsgeräte, denn es bedeutet: Training auf instabilen Untergründen. Das können z.B. Schaumstoffmatten, Wackelbretter, Weichbodenmatten oder Trampoline sein. Sogar das Laufen im Sand ist schon ein sehr gutes Training hierfür, da der Körper Ausgleichsbewegungen einleiten muss, um das Gleichgewicht aufrecht erhalten zu können. Neben den dafür zuständigen Rezeptoren des Körpers wird dabei auch gleichzeitig das feine Zusammenspiel verschiedener Muskeln und die Tiefenmuskulatur trainiert.
Damit wirkt propriozeptives Training stabilisierend auf Gelenke und ist besonders bei Sprunggelenks-, Knie- und Hüftproblemen einzusetzen. Aber nicht nur bei Beschwerden, sondern auch prophylaktisch sollte propriozeptives Training auf jedem Trainingsplan stehen, und zwar gleichermaßen beim Menschen, wie bei unseren geliebten Vierbeinern!
Propriozeption beim Hund
Indem man mit dem Hund im Schritt über unterschiedliche Materialien, unebene Untergründe oder labile Unterlagen geht, werden die Propriozeptoren aktiviert und die Koordination, die Konzentration und die Feinmotorik verbessert. Auch hier reichen z.B. schon sandige Untergründe, über Stock und Stein im Wald, aber auch Luftmatratzen, Trampoline und Wackelbretter. Auch die Gewichtsverlagerung im Stehen oder das Ausbalancieren auf dem Physioball oder dem Schaukelbrett hilft dabei, die Koordination und das Gleichgewichtsgefühl zu verbessern. Das propriozeptive Training kommt auch besonders in der der post-operativen Phase, bei neurologischen Problemen oder geriatrischen Patienten zum Einsatz. Es ist außerdem eine gute Welpenübung, da die Bewältigung unterschiedlicher Bodenbeschaffenheiten das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in den Besitzer aufbaut.
Propriozeption beim Pferd
Beim Pferd bedeutet dies, dass das alleinige Training in der Reithalle die Nervenbahnen und Propriozeptoren verkümmern lässt. Dasselbe gilt bei Bewegungsmangel, wenn das Pferd nur in der Box oder in einem kleinen Paddock steht und kaum Bewegungsanreize hat. Deshalb ist es auch bei unseren Pferden wichtig, nicht nur von der asphaltierten Stallgasse in die Reithalle zu wechseln, sondern häufige Wechsel des Untergrundes einzubauen. Unebener Waldboden, über Stock und Stein, Feldwege, Wiese und auch mal über groben Schotter.
Fazit
Durch propriozeptives Training wird die Stabilität der Bänder, Sehnen und Gelenke gefördert, bei uns Menschen ebenso wie bei unseren Tieren. Es fördert außerdem die Effektivität der efferenten, also der absteigenden Informationen vom Gehirn, sodass Balance und Stabilisierung des Körpers erfolgen können.
Sollte das zuvor beschriebene aktive Bewegungstraining verletzungsbedingt nicht möglich sein, sind Balance-Pads (siehe Bilder, für Mensch und Tier erhältlich) eine sehr gute Alternative, um die Propriozeption, Stabilität und das Gleichgewicht zu erhalten. Wichtig ist bei allen Propriozeptionsübungen, dass sie langsam und kontrolliert ausgeführt werden. Hunde sind (im Gegensatz zu den Menschen ð) im Idealfall an der Leine zu führen.