Clinical Reasoning stammt aus den 50er Jahren und hat seinen Ursprung in der Lernpsychologie. Als Clinical Reasoning, auf Deutsch klinische Argumentation, werden die Gedankengänge und Entscheidungsfindung eines Therapeuten während eines therapeutischen Vorgangs bezeichnet. Dabei sollen eigene Denkprozesse deutlich und die eigenen Vorgehensweisen hinterfragt werden. Das Ziel ist es also Kompetenzen in bewusstem, strukturiertem und dokumentiertem Handeln zu entwickeln. Der Vorgang des Clinical Reasoning ist wie folgt: aus den Symptomen des Patienten werden Hypothesen für eine mögliche Diagnose aufgestellt. Um diese dann zu bestätigen, werden die nötigen Untersuchungen durchgeführt.
Bei der Ausbildung zum Therapeuten oder zur Therapeutin ist Clinical Reasoning ein wichtiger Bestandteil. Es sollten nämlich nicht nur die Techniken der zu erlernenden Therapie vermittelt werden, sondern auch selbständiges und logisches Denken. Denn für Experten oder schon länger Berufstätige sind klinische Muster und Schlussfolgerungen aus Hypothesen natürlich einfacher als für Neueinsteiger. Eine Weitergabe des Wissens von Experten an Anfänger ist also essenziell, um auch den bestehenden Wissensstand mit neuen Ideen und Herangehensweisen auszubauen. Ebendies soll mithilfe von Clinical Reasoning gelernt werden.
Um den Lernprozess der Hypothesenfindung übersichtlich zu gestalten und zu vereinfachen, können Hypothesen zunächst in Kategorien eingeteilt werden. Beispiele dafür sind pathologische (krankhafte) Mechanismen, Schmerzquellen, Kontraindikationen, „Yellow Flags“ (Faktoren, die zu einem Problem beitragen können) in physischen, biomedizinischen, sozialen und verhaltungsbedingten Bereichen. Eine Prognose wird dann anhand verschiedener Faktoren wie etwa Dauer, Fortschritt, Irritierbarkeit der Störung, Persönlichkeit und Lebensstil des Patienten und soziokulturellen Aspekte gestellt.